Ina Thomann

Seated in Bells

Klangnetze. Ein Klangnetz. Netzwerk. Mehrere Orte. Verbindungen. In Abhängigkeit, aber auch unabhängig. Das sind die ersten Wörter, die in meinem Notizbuch zur Klanginstallation im Rahmen des Projekts Klangnetze stehen... Mehr lesen

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Über seated in bells

Klangnetze. Ein Klangnetz. Netzwerk. Mehrere Orte. Verbindungen. In Abhängigkeit, aber auch unabhängig. Das sind die ersten Wörter, die in meinem Notizbuch zur Klanginstallation im Rahmen des Projekts Klangnetze stehen. Die technischen Gegebenheiten: Fünf Mikrofone, fünf Lautsprecher, fünf Raspberry Pis. Je ein Mikrofon, ein Lautsprecher und ein Raspberry Pi ergeben einen sogenannten Agenten. Jeder Agent ist voneinander unabhängig. Durch das Mikrofon können sie aber eine Abhängigkeit zueinander entwickeln. Und der wohl wichtigste Punkt: Es ist eine Klanginstallation im öffentlichen Raum.

Ich arbeite gerne an Klanginstallationen im öffentlichen Raum. Trotzdem ist für mich die Arbeit daran eine Gratwanderung. Ein Kompromiss zwischen dem Ausleben meiner künstlerischen Ideen und den örtlichen Gegebenheiten. Eine Gratwanderung zwischen meinen künstlerischen Ideen und die selbstauferlegte Anforderung, den Anwohner:innen mit einer ständigen Beschallung nicht lästig zu werden. Für mich sind das essenzielle Überlegungen bei der Arbeit an einer Klanginstallation im öffentlichen Raum. Ich möchte nicht, dass sich Anwohner:innen und auf der Straße lebende Menschen durch meine Klänge gestört fühlen, denn sie können nicht ausweichen. In gewisser Weise trete ich mit meiner Klanginstallation in ihre Lebenswelt ein. Ich möchte ihre Lebenswelt mit meinen klanglichen Ideen und Vorstellungen anreichern. Diese Klänge werden einigen gefallen aber sicherlich einigen auch nicht. Ich versuche daher Klänge zu erzeugen, die in manchen Momenten sehr gut hörbar sind, und man in anderen Momenten die Ohren spitzen muss, vielleicht kurz innehält um dem Klang lauschen zu können. In meiner Arbeit „seated in bells“ habe ich aus diesem Grund auch Pausen programmiert, sodass kein durchgehender Klangteppich entsteht.

Skizze zu einer ersten Idee, noch bevor ich alle technischen Gegebenheiten wusste. Bei Überlegungen zum Wort Netzwerk bin ich zu Planeten und ihre Abhängigkeiten gelangt. Die Idee war nun, dass sich die Klänge der einzelnen Orte nach bestimmten Vorgaben umkreisen und je nach Position auch die Klangfarbe ändern.

Skizze zu einer ersten Idee, noch bevor ich alle technischen Gegebenheiten wusste. Bei Überlegungen zum Wort Netzwerk bin ich zu Planeten und ihre Abhängigkeiten gelangt. Die Idee war nun, dass sich die Klänge der einzelnen Orte nach bestimmten Vorgaben umkreisen und je nach Position auch die Klangfarbe ändern.

Einige Wochen ging es dann gedanklich hin und her. Ideen kamen auf, wurden jedoch nicht so richtig griffig für mich und verloren sich wieder. Zwischendurch kam sogar Verzweiflung auf, weil ich keine meiner Ideen spannend fand. Was mir dann immer hilft ist, mir zu überlegen beziehungsweise mir wieder bewusst zu werden, worum es mir eigentlich mit meiner künstlerischen Arbeit geht:
In vielen meiner Arbeiten, und so auch schlussendlich in „seated in bells“, beschäftige ich mich mit dem zentralen Thema Hören, besser gesagt dem zentralen Thema Zuhören (listening). Mit meinen Arbeiten möchte ich das Zuhören anregen. Eine Hörhaltung entwickeln. Eine Freude an Alltagsklängen fördern. Die Schönheit in Alltagsklängen hervorheben. Den öffentlichen Raum mit Klängen anreichern aber nicht überdecken. Diesen Moment anregen, wenn der Klang weg ist und man dann erst in diesem Moment erkennt, dass da ja ein Klang vorhanden war. Durch meine Klänge eine Aufmerksam für weitere Klänge im öffentlichen Raum erzeugen. Wegweisend für mich sind in diesem Bereich Arbeiten und Texte von u.a. Pauline Oliveros, Annea Lockwood, John Cage, Karlheinz Stockhausen und La Monte Young. Auf unterschiedliche Weise beschäftigen sich all diese Komponist:innen mit dem Zuhören, sowohl mit ihrem eigenen Zuhören als auch dem Zuhören der Besucher:innen. Sie beschäftigen sich in einer für mich inspirierenden Weise mit Klang, Geräusch und Stille.
Für das Projekt Klangnetze stellte sich für mich die Frage: Wie kann ich zwischen den Agenten ein Zuhören entwickeln, das Passant:innen als Zuhören wahrnehmen? Diese Fragestellung führte zu einer Idee, an der ich zu arbeiten begann. Die Agenten wurden für mich zu unabhängigen Agenten. Jeder von ihnen bekam eine andere „Aufgabe“ zugewiesen und so auch einen eigenständigen Programmcode. Grundlegendes Element stellte die Imitation dar. Zwei der Agenten sollten versuchen, ihre Umwelt – Gespräche, Kirchenglocken, etc. - zu imitieren, jedoch immer um ein paar Sekunden versetzt, sodass die Passant:innen es als Imitation und Nachahmung wahrnehmen können. Erste Versuche mit einem Pitch-Following in Supercollider brachte schnelle Ergebnisse. Während dieser Versuche war ich selbst davon überrascht, wie schnell man eine Emotion für ein elektronisches Gerät entwickelt, da mich der Laptop sehr schnell nervte, wenn er mich ständig nachahmte. Dieses Erlebnis zeigte mir, dass mein Ansatz funktionierte. Der zusätzliche künstlerisch spannende Aspekt war nun, dass sich die Agenten selbst und auch gegenseitig imitieren, da sie sich zuhören. Und letzteres wurde leider auch der Knackpunkt, weswegen ich mein Konzept nochmals ändern musste. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich Versuche nur in einem geschlossenen Raum gemacht, der noch dazu sehr ruhig ist. Ebenso waren die Agenten lediglich einen Meter voneinander entfernt. Innerhalb dieses Rahmens funktionierte alles super. Erste Tests im Garten meiner Eltern zeigten jedoch: ich muss alles ändern. Es funktionierte nicht. Die Agenten waren im öffentlichen Raum mehr als einen Meter voneinander entfernt. Demzufolge musste ich die Pegel anpassen was sehr schnell zu einem Feedback führte.
Eine neue Idee musste her. Jedoch wollte ich nicht alles ändern, denn ich mochte das grundlegende Konzept des Zuhörens der Agenten. Und so stellte ich mir die Frage: Was ist Hören für die Agenten eigentlich? Hören heißt für die Agenten, verfolgen, analysieren und reagieren. Die Agenten hören auf die sie umgebende Geräuschkulisse. In der Geräuschkulisse gibt es unter anderem Parameter wie Lautstärke und Tonhöhe. Mein neues Ziel war es nun, einen Code zu schreiben, mit dem jeder der fünf Agenten arbeitet. Aber die zuvor genannten Parameter der Geräuschkulisse sollten bestimmte Parameter des Codes beeinflussen und so das klangliche Resultat der einzelnen Agenten individualisieren. So entstand „seated in bells“.

Eine Skizze zur vorletzten Idee. Für mich zeigt diese Skizze gut, was mein Problem mit Skizzen während meiner künstlerischen Arbeit ist: die Räumlichkeit. Durch diese Skizze entwickelte ich eine Räumlichkeit der Klänge zueinander und begann basierend darauf zu arbeiten. Zu spät habe ich bei dieser Idee bemerkt, dass die Räumlichkeit in dieser Art nicht existiert, aber essentiell ist, damit es funktioniert.

Eine Skizze zur vorletzten Idee. Für mich zeigt diese Skizze gut, was mein Problem mit Skizzen während meiner künstlerischen Arbeit ist: die Räumlichkeit. Durch diese Skizze entwickelte ich eine Räumlichkeit der Klänge zueinander und begann basierend darauf zu arbeiten. Zu spät habe ich bei dieser Idee bemerkt, dass die Räumlichkeit in dieser Art nicht existiert, aber essentiell ist, damit es funktioniert.

Die Agenten analysieren die Tonhöhe der nahen Umgebung und die Lautstärke. Diese Daten dienen als Grundlage für Sinusoszillatoren, die den hörbaren Klang bilden. Alle Agenten arbeiten mit demselben Programmcode. Da sie sich aber an unterschiedlichen Stellen befinden, unterscheiden sich die Daten von Klanghöhe und Lautstärke. Aufgrund dieser feinen Unterschiede, verweben sich die Klänge der Agenten zu einem großen Ganzen.

Auf der klanglichen Ebene versuchte ich meiner bildlichen Vorstellung nahezukommen. Werden die Umgebungsgeräusche lauter, so werden auch die Agenten etwas lauter und verändern ihren Klang. Ist es gleichbleibend ruhig, entsteht ein stetiger und eher leiser Klang. Ich stelle mir diese Ebene der Agenten wie eine Glocke vor, die die Umgebungsgeräusche um- bzw. einhüllt. Und diesen glockenähnlichen einhüllenden Klang versuche ich zu erzeugen. Die ideale Lautstärke für diese Installation ist meiner Meinung knapp oberhalb der Grenze des Hörbaren. Denn so ist es möglich, dass die Umgebungsgeräusche mit den Klängen der Installation als Ganzes wahrgenommen werden.

Über den Supercollider Patch

„seated in bells“ habe ich in Supercollider programmiert. Der Programmcode baut sich minimalistisch und schlicht auf. Die Klangerzeugung erfolgt durch Sinusoszillatoren.
Amplituden-Follower (env1, env2 und amp_follower) verfolgen die Lautstärke der Umgebungsgeräusche. Ein Pitch-Follower (freq) verfolgt die Tonhöhe der Umgebungsgeräusche. Die Klangerzeugung erfolgt durch den Supercollider UGen „DynKlank“, eine Sinusoszillatorenbank. Die Frequenzen der Sinusoszillatoren werden durch den Pitch-Follower bestimmt und durch den Amplitudenfollower env2 variiert. Die Lautstärke der einzelnen Frequenzen wird von amp_follower bestimmt und durch env1 variiert.

(SynthDef(\Klank_agent, { | out = 0, amp = 0.09 |

var input, env1, env2, scr,sig, rev, amp_follower, freq;

input = SoundIn.ar(1, mul: 1);
env1 = Amplitude.ar(input, 2, 1, 1000);
env2 = Amplitude.ar(input, 2, 1, 20000);
freq = Pitch.kr(input, maxFreq: 1000, ampThreshold: 0.02, median: 6);
amp_follower = Amplitude.ar(input);
amp_follower = amp_follower * (amp_follower > 0.002);

scr = Dust.ar(10);

sig = DynKlank.ar(`[
[(freq * 0.5) + env2, (freq * 0.3 ) + env2, freq + env2, (freq * 1.3) + env2],
[amp_follower-env1, amp_follower-env1, amp_follower-env1, amp_follower-env1],
[1, 3, 2, 0.5]], scr);

rev = FreeVerb.ar(sig, 0.44, 1, 0.5);
rev = rev.tanh;

Out.ar(out, rev * amp);
}).add);

Ein Kompromiss in diesem Code ist das Sourcesignal (scr = Dust.ar(10)). Das Outputsignal knistert dadurch. Auf Grund von Feedback war es jedoch nicht möglich, das Inputsignal als Sourcesignal zu verwenden. Hier gibt es also noch Potential den Code zu verbessern und diese Klanginstallation in einer Neuauflage weiterzuentwickeln.

Link zum GitLab Repository

Code herunterladen: https://gitlab.mur.at/pirro/klangnetze/-/tree/main/seated_in_bells